Garnich, Luxemburg

Die rund 2.170 EinwohnerInnen zählende und aus vier Dörfern bestehende Gemeinde Garnich liegt 15 Kilometer von Luxemburg Stadt nahe der Grenze zu Belgien. Das Bevölkerungswachstum ist überdurchschnittlich hoch, der Siedlungsdruck aufgrund der Nähe zur Hauptstadt groß, die Bevölkerung besteht zu mehr als einem Viertel aus Nicht-LuxemburgerInnen, ist multikulturell, mehrsprachig und heterogen. Garnich ist eine von sieben Gemeinden der LEADER-Aktionsgruppe „Luxemburg West“ und gilt als eine der Triebfedern der interkommunalen Zusammenarbeit.

Der Entwicklungsprozess reicht in Garnich bis in die 1990er-Jahre zurück, wobei die Ziele und Konzepte einer mehrmaligen Aktualisierung, stets auf Basis von umfassenden Stärken-Schwächen-Analysen, unter fachlicher Beratung, aktiver Einbindung der Bürger-Innen aller vier Ortsteile und in Zusammenschau mit regionalen Entwicklungsplänen, unterworfen waren. Vorrangiges Ziel und gleichzeitig eine große Herausforderung ist es, dörfliche Strukturen mit einem eigenständigen Profil und einem ansprechenden Naturraum zu wahren und gleichzeitig eine bestmögliche Diversifizierung der ökonomischen, infrastrukturellen und sozio-kulturellen Angebote zu schaffen, um Lebensbedingungen zu bieten, die nicht gleichartig, aber gleichwertig zum urbanen Raum sind – und auf diese Weise der Gefahr, zum reinen „Schlafdorf“ zu werden, zu begegnen. Die Liste der umgesetzten Projekte in den verschiedensten Bereichen der dörflichen Entwicklung ist sehr lang.

Eines der Leuchtturmprojekte ist der Bau eines hochmodernen Dorfkinos als Anbau an das bestehende Dorfzentrum im Dorf Koler, das ein vielfältiges Programm bietet und von den BürgerInnen in Eigenregie betrieben wird. Ein Teil der erwirtschafteten Überschüsse geht unmittelbar in kommunale Gemeinwohlprojekte wie die Wiederbelebung der traditionellen Kirmes. Im Ensemble mit dem bestehenden Dorfzentrum wurde hier auch ein multifunktionales Zentrum geschaffen. Auch das Projekt „Make Koler Kooler“, im Zuge dessen die Gemeinde mit hochwertiger Graffiti-Kunst zur Straßengalerie aufgewertet wurde, ist einzigartig. Ein weiteres Highlight ist die Ausstattung der Grundschule mit moderner Infrastruktur und qualitativ hochwertiger Nachmittagsbetreuung sowie deren Öffnung für die Bevölkerung durch das Schaffen von „shared spaces“ auf dem errichteten Campus.

Erwähnenswert sind auch die zahlreichen Sanierungs- und Revitalisierungsprojekte, im Zuge derer beispielsweise die alte Wasserburg zu einem außergewöhnlichen, barrierefreien Veranstaltungsort oder ein leerstehender Bauernhof zum Ärztehaus und ein anderer zum Gemeindehaus im Zentrum wurden . Auch Sozialwohnungen Unterkünfte für Geflüchtete und sonstige Wohnungen sind im Zuge von Renovierungen neu geschaffen worden.

Als umfassend können die Maßnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt bezeichnet werden. Einerseits werden mit mehreren Projekten der Energieverbrauch gesenkt und die Effizienz gesteigert, andererseits wird erneuerbare Energie im gemeindeeigenen BürgerInnen-Windpark sowie auf Dächern mittels Photovoltaik gewonnen. Zur Verbesserung der Biodiversität sowie zum Arten- und Gewässerschutz wurden Obstwiesen angelegt, der Fluss Mamer renaturiert und Feuchtgebiete angelegt. Bienenschutzprojekte und eine Reihe pädagogischer Programme für Jung und Alt ergänzen das Maßnahmenbündel. Zur Verbesserung und Ökologisierung der Mobilität wurden flexible Busangebote als Ergänzung zum ÖPNV eingerichtet, die Fuß- und Radwege ausgebaut, Infrastrukturen für die E-Mobilität geschaffen und konsequent verkehrsberuhigende Maßnahmen umgesetzt.

Bemerkenswert ist schließlich das Bemühen, das Zusammenleben der verschiedenen Generationen und Nationalitäten aktiv zu gestalten. Projekte wie die Dorf-WG, die betreutes Wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kindergarten und Schule bietet, der Mehrgenerationen-Treff Garnich, Integrations-Touren für NeubürgerInnen, Nachbarschaftsfeste, organisierte Nachbarschaftshilfe bei Hilfsbedürftigen, die unter anderem von Langzeitarbeitslosen geleistet wird, zeugen von großer Sensibilität den Bedürfnissen aller GemeindebewohnerInnnen gegenüber.

Projekte zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und insbesondere der Landwirtschaft, zur Versorgung der Bevölkerung mit gesunden heimischen Lebensmitteln, zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, die Zertifizierung als Fair Trade-Gemeinde, das Schließen eines Klima-Paktes in Kooperation mit den Partnergemeinden der LEADER-Gruppe und vieles mehr zeigen deutlich, dass man in Garnich die großen Probleme unserer Zeit erkannt hat und gewillt ist, ihnen mit lokalen Maßnahmen zu begegnen. Dabei gelingt es, umfassende bürgerschaftliche Partizipation und Bottom-up-Prozesse aktiv zu fördern und zu ehrenamtlichem Engagement zu motivieren. Gleichzeitig kann man durch eine geschickte Positionierung in der Region und durch weitreichende Kooperationen auch von der regionalen Entwicklung hochgradig profitieren.

Evaluiert: 2020