Ramsdorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Ramsdorf, Gemeinde Velen, liegt im Westmünsterland und zählt aktuell rund 6.000 EinwohnerInnen. Bis vor 30 Jahren lebte die Region von der Landwirtschaft und der Textilindustrie. Als Anfang der achtziger Jahre die Textilfabrik von Ramsdorf ihre 1.000 MitarbeiterInnen entlassen musste, der Einzelhandel durch die Angebote in der Kreisstadt zunehmend litt und die Pendlerquote auf über 50 Prozent stieg, begann im Ort die große Suche nach Zukunft. Im Zusammenwirken von BürgerInnen und Politik wurde Ende der neunziger Jahre eine integrierte Entwicklung angestoßen. Der Reiz des flachen Landes, die Nähe zu den Niederlanden sowie die Tragfähigkeit der bestehenden sozialen Strukturen in organisierter Nachbarschaftshilfe und Vereinen wurden als Potenzial erkannt und ausgebaut.

Um die Abwanderung und den wirtschaftlichen Niedergang zu stoppen, bemühte sich die Gemeinde zunächst um eine Stärkung des Gewerbes, indem ein Discounter im Ortszentrum angesiedelt wurde.

Das Gespür für die Straßen- und Häuserstrukturen ist ausgeprägt. Die Neugestaltung des Dorfkernes mit Burg und neu errichtetem Rathaus zeugen beispielsweise von dem Bemühen, den dörflichen Charakter des Ortes zu stärken, der in manchen Ortsteilen schon deutliche kleinstädtische Ausprägungen aufweist. Kluge Vorausplanungen und Ideenentwürfe für bestehende Baulücken oder leer stehende und renovierungsbedürftige Häuser unterstreichen dieses Engagement. In den größeren Neubaugebieten hat die Gemeinde die Maximalgröße der Wohnbaugrundstücke in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Die Häuser in diesen Siedlungen werden so ausgerichtet, dass die Kraft der Sonne (passiv oder über Solarkollektoren und Photovoltaik) optimal ausgenutzt werden kann.

Diese gestalterischen Maßnahmen werden durch eine hohe Identifikation der Ramsdorfer mit ihrem Ort gestützt. Nicht nur Rathaus und Burg sind Identifikationspunkte, sondern vor allem die zahlreichen Vereine und Hööken. „Hookgemeinschaften“ sind alte nachbarschaftliche Genossenschaften, deren Zweck ursprünglich in gegenseitigen Hilfeleistungen bei Tod, Kindstaufe, Hochzeit oder Hausbau bestand. Zukünftiger Kristallisationspunkt dieses Selbstbewusstseins dürfte der teilweise ehrenamtliche Umbau der alten Molkerei in ein multifunktionales Dorfhaus werden, das allen Vereinen Platz bieten soll.

Die Verbundenheit und die ausgeprägte Identifikation mit dem Ort werden aber von einer großen Offenheit begleitet: Das Gemeindelogo beispielsweise spiegelt das Bestreben wieder, die Zukunft im Verbund mit dem Nachbarort Velen, zu dem es stets viele Rivalitäten gab, zu gestalten. Ramsdorf ist Mitglied und vielfach auch Motor in zahlreichen regionalen Kooperationen. Die auffälligste dabei ist die Stiftung „agri-cultura“, in der sich zwölf Gemeinden aus der Region Achterhoek (Niederlande) und dem Westmünsterland (Deutschland) zusammengeschlossen haben, um ihre Region gemeinsam touristisch zu entwickeln und zu bewerben. Diese offene und konstruktive Kooperation erscheint umso logischer, da Ramsdorf seit den achtziger Jahren seine wirtschaftliche Zukunft in einer bisher recht erfolgreichen touristischen Vermarktung des Ortes und der gesamten Region sucht, die nicht einseitig auf einen reinen Fahrrad-, sondern auch auf einen ansprechenden ländlichen Kulturtourismus setzt.

Die Einbindung aller Generationen in das gesellschaftliche Leben und die Bereitstellung zeitgemäßer sozialer Strukturen haben in Ramsdorf einen vorrangigen Stellenwert. Kindergarten, offene Ganztagsschule und ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für SchülerInnen sowie ein von den Jugendlichen selbst gestaltetes Jugendhaus schaffen eine familienfreundliche Atmosphäre. Als zukunftsweisende Einrichtung gilt auch das Altenheim, das von der Baustruktur – mit Wohnungen um einen „Marktplatz“ – und Ausgestaltung – mit einem ansprechenden Sinnesgarten – her beispielgebende Akzente setzt. Die Bemühungen werden durch noch zu errichtende betreute Wohnungen im Dorfzentrum abgerundet.

Das Entwicklungsgeschehen in Ramsdorf beeindruckt in mehrfacher Weise. Die soziale Nähe und das intakte gesellschaftliche Netzwerk, die hohe Bereitschaft zur Eigenleistung und die zukunftsgerichteten Initiativen zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes stechen dabei hervor. Große Anerkennung verdient darüber hinaus die ausgeprägte Sensibilität für ein intaktes, dem kulturellen Erbe angepasstes Dorfbild, dem durch qualitätvolle Sanierungen und ein einfühlsames Bauen Rechnung getragen wird.

Evaluiert: 2008