Wijk aan Zee, Niederlande

Das Dorf Wijk aan Zee, unmittelbar an der Nordseeküste gelegen, ist Teil der 37.000 EinwohnerInnen zählenden Gemeinde Beverwijk in Nordholland. In Wijk aan Zee leben rund 2.300 Menschen. 1999 hat hier die Bewegung der Kulturdörfer Europas ihren Ausgang genommen und europaweit elf Dörfer inspiriert, in regen Kulturaustausch zu treten. Eine Gruppe von engagierten BürgerInnen organisiert, von großem Idealismus getragen, anhand sehr unkonventioneller Methoden regelmäßige Zusammenkünfte, die zu freundschaftlichen Kontakten in ganz Europa führten.

Wijk aan Zee ist geprägt durch zwei gegensätzliche Wirtschaftszweige: Als ursprüngliches Fischerdorf am Rand der Dünen gelegen, entwickelte es sich zu einem begehrten Naherholungsgebiet am Meer: Im Umkreis von 12 km leben 100.000 Menschen. Andererseits siedelte sich im Zuge der Errichtung des Nordseekanals, der Amsterdam mit den Weltmeeren verbindet, Stahlindustrie an. Die Firma Corus, die heute ein Gelände von 800 Hektar Dünenland beansprucht, ist Arbeitgeber für 8.000 Menschen. Als es in den 1970er Jahren Erweiterungstendenzen auf Kosten der Lebensqualität und bedrohend für die Existenz des Dorfes gab, leisteten die BürgerInnen massiven Widerstand und entwickelten Strategien, um mit ihrem Dorf zu überleben. Diese Protestbewegung ließ die BewohnerInnen von Wijk aan Zee ihr Potenzial erkennen und sich in starker Heimatverbundenheit den Erhalt ihrer dörflichen Identität erkämpen.

Mit eigenständigem und selbstbewusstem Verhalten behauptet sich die aktive Gruppe auch heute noch und realisiert ihre Projekte vielfach ohne finanzielle Unterstützung. Bei den monatlichen Versammlungen des Dorfrates werden wichtige Entscheidungen getroffen, die in der unabhängigen Dorfzeitung veröffentlicht und von den BürgerInnen angeregt diskutiert werden.

Die zahlreichen Vereine beeinflussen das dörfliche Leben nachhaltig und sind mit ihren Mitgliedern im Dorfrat fest verankert. Im Bereich der Kulturvermittlung hat sich ein vielfältiges Aufgabengebiet entwickelt, das Menschen aller Altersstufen miteinbezieht und das Dorfleben wesentlich gestaltet. Mit der Schule und unmittelbar mit den Kindern selbst wird intensiv zusammengearbeitet, Veranstaltungen und Feste werden organisiert, bei denen die vielen ansässigen jungen MusikerInnen die Möglichkeit zu einem Auftritt bekommen. Auch eine Galerie wurde eingerichtet, die sowohl als Werkstatt, Atelier und Künstlertreff wie auch als Verkaufsstelle fungiert. Ein Seniorenkreis trifft sich regelmäßig, bespricht vorgegebene Themen, hat guten Kontakt zur Jugend und steht via Internet und persönlicher Besuche in regem Austausch mit den anderen Kulturdörfern. Die Jugendlichen produzieren gemeinsam mit jungen Menschen aus anderen europäischen Kulturdörfern einen Film. Ein großzügiger Skulpturenpark, das „Meer aus Stahl“, verbindet vor der Kulisse der rauchenden Schlote hochwertige, international anerkannte Kunstwerke aus Stahl mit der Realität der Schwerindustrie.

Wijk aan Zee hat sich als Initiator der Kulturdörfer Europas mit seinen länderübergreifenden Initiativen und Bemühungen um internationalen Kulturaustausch einen unverwechselbaren Namen gemacht. Gelebte Gastfreundschaft, europaweite, humanitäre Kontakte und eine weltoffene Lebenshaltung spiegeln sich im Ortsbild und bei den Akteuren in den zahlreichen Vereinen und Arbeitsgruppen wider. Besonders bemerkenswert ist die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Arbeit gebenden Stahlgiganten, die letztlich zu einer eigenständigen, kreativen Entwicklung des Dorfes und einer neuen Identität geführt hat.

Evaluiert: 2010