Dissen/ Dešno, Brandenburg, Deutschland

Die Ortschaft Dissen, sorbisch Dešno, liegt im Süden Brandenburgs, hat insgesamt 680 Einwohnende und liegt mit einer Entfernung von zehn Kilometern in direkter Umgebung zur Stadt Cottbus. Auf regionaler Ebene gehört die Gemeinde zum Amt Burg. Dissen positioniert sich auf Grund der jährlich bis zu zehn belegten Storchennester und der sehr starken Verbundenheit mit der sorbisch-wendischen Kultur und Tradition zurecht als Storchen- und Museumsdorf.

Unmittelbar an Dissen grenzt die Spreeaue, die seit 2006 durch das Bergbauunternehmen Vattenfall als Ausgleichsmaßnahme für ein Tagebaugebiet in der Nähe von Cottbus auf einer Länge von elf Kilometern renaturiert wurde. Heute ist dieser Naturraum ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Einwohnenden der Region, es erstreckt sich über eine Fläche von über 400 Hektar. Zudem wurden im Zuge des Renaturierungsprojektes der Auerochse und der Wasserbüffel, auch als Zeichen einer nachhaltigen Landwirtschaft, durch die Spreeaue GmbH etabliert. In Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und der Betreiberfirma des Tagebaus wurden verschiedene Projekte ausgearbeitet, etwa Rundwanderwege, Spielplatz, Weidentunnel und der Aussichtshügel „Teufelsberg“, von dem man eine einmalige Aussicht auf dieses Naturschutzgebiet genießen kann.

Für die Gemeinde und die Ortschaft Dissen markiert das Jahr 1989 mit der politischen Wende einen Übergang in eine Zeit, in der sich neue Herausforderungen stellten und insgesamt neue Themen an Bedeutung gewannen. Zur politischen Wende zählte das Dorf weniger als 500 Einwohnende, die Infrastruktur war marode und in die Instandsetzung der alten Bausubstanz floss nur wenig Geld. Zudem waren die benötigten Baumaterialien in dieser Zeit knapp.  Eine Chance für die Ortschaft war es jedoch, dass die alte Bausubstanz nach der Wende noch erhalten blieb, nicht selten allerdings in schlechtem Zustand. So ist etwa auch heute noch das Dorfbild von den zum öffentlichen Raum hin geschlossenen Vier-Seiten-Höfen, den so genannten „Torhaushöfen“, geprägt. Die starke Identifikation der Ortschaft mit seiner Geschichte, seiner Kultur und seiner sorbisch-wendischen Tradition erklärt auch, dass die Gemeinde seit der Wende das besondere Anliegen verfolgt, die bestehende Bausubstanz zu erhalten und zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Instandsetzung des Vier-Seiten-Hofes „Tylcyc“ mitten im Dorfzentrum von Dissen zu erwähnen, der heute als Feuerwehrhof dient.

Dissen zeichnet sich in den vergangen Jahren aber vor allem durch die Umsetzung neuer und innovativer Ideen aus, die durch Eigeninitiative und Gemeinschaftssinn getragen sind und Bereiche ins Zentrum rücken, die in der Vergangenheit eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Heute prägen sie das Dorf.

Ein zentrales Merkmal der Ortschaft ist, dass sie zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben bzw. Wenden gehört. So ist es auch heute noch für die Gemeindeverantwortlichen wie auch für die ehrenamtlich Tätigen sehr bedeutsam, die sorbisch-wendischen Traditionen zu erhalten und zu pflegen. So wurde einerseits die Geschichte der sorbisch-wendischen Kultur im Dorf aufgearbeitet – mit dem Ergebnis, dass man heute im Heimatmuseum die historische Lebensweise der sorbisch-wendischen Bäuerinnen und Bauern erkunden kann. Das Heimatmuseum leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung des materiellen und immateriellen Kulturerbes der Sorben bzw. Wenden und bringt die starke Identifikation der Dissenerinnen und Dissener mit dieser Kultur zum Ausdruck, etwas, das sich auch in der Brauchtumspflege wiederfindet.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Heimatmuseum und zur Kirche findet man das Freilichtmuseum „Stary lud – Das alte Volk“, für das fünf Grubenhäuser errichtet wurden, die einen Einblick in das slawisch geprägte Mittelalter gewähren. Der Gemeinde ist es mit diesen Einrichtungen nicht nur gelungen, ihre eigene Geschichte erlebbar zu machen, sondern sie hat gleichzeitig auch ein touristisches Angebot geschaffen, das Dank des Alleinstellungsmerkmals einzigartig in der Region ist. Schließlich bietet sich auch die Möglichkeit für Schulklassen und damit für Kinder und Jugendliche, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Das einzigartige sorbisch-wendische Brauchtum ist ein fester Bestandteil des dörflichen Lebens und deshalb ist auch der Erhalt der Sprache als lebendiges Zeichen im Inneren wie auch nach außen hin. ein wesentliches Anliegen. Maßnahmen wie die Einführung von zweisprachigen Orts-, Hinweis- und Informationstafeln sind daher prägend, umso mehr als dass auch rund 100 private HofbesitzerInnen ihre Hofnamensschilder ebenfalls in wendischer Sprache angebracht haben.

Wesentlich prägend für die Gemeinde ist das aktive und intakte Vereinsleben. Die eher niedrige Bevölkerungszahl wird auch als Chance begriffen und nicht bloß als Hindernis: Über die letzten Jahre hat sich eine intakte, fast familiäre Dorfgemeinschaft gebildet. In diesem Zusammenhang ist besonders der Schützenverein „Briesen e.V.“ hervorzuheben, dessen Vereinsmitglieder einen alten Kuhstall komplett renoviert und als neues Vereinsdomizil wieder instandgesetzt haben. Insgesamt kennzeichnet sich Dissen durch großes bürgerschaftliches Engagement aus, das besonders in den Vereinen sicht- und spürbar wird. Die Gemeinde stellt im Bewusstsein um die zentrale Rolle der Vereine Räumlichkeiten für deren Tätigkeiten zur Verfügung, etwa den bereits erwähnten „Tylcyc“-Hof für die Feuerwehr, einen Jugendraum oder das Fußballfeld.

Dissen ist heute ein attraktiver Wohnstandort in direkter Nähe zur Stadt Cottbus, weshalb in den letzten Jahren zwar einige kleinere Neubaugebiete ausgewiesen wurden, der Erhalt der dörflichen Bausubstanz allerdings im Zentrum steht, was sich insbesondere in der Gestaltungssatzung von 2014 widerspiegelt.

Die Positionierung des Ortes Dissen als Storchen- und Museumsdorf konnte in den vergangenen Jahren erfolgreich umgesetzt werden. Die Stärken des Dorfes liegen sicherlich in der intakten Dorfgemeinschaft, die sich für den Erhalt der sorbisch-wendischen Traditionen einsetzt und dafür stetig neue Ideen ausarbeitet. Gleichzeitig setzt man auch gezielt Projekte um, die ökologische wie auch ökonomische Zukunftsperspektiven bieten. In diesem Zusammenhang eröffnet vor allem die einzigartige Naturlandschaft Spreeaue mit bereits geschaffenen und noch entstehenden Infrastrukturen große touristische Chancen und ist gleichzeitig ein wesentlicher Garant für die hohe Lebensqualität im Dorf.

Evaluiert: 2022