Germerode, Hessen, Deutschland

Germerode, ein Dorf mit rund 750 EinwohnerInnen, liegt in Hessen, nahe der Grenze zu Thüringen. Die malerische Siedlung im Geo-Naturpark Frau-Holle-Land ist mit einer historischen Klosteranlage gekrönt. Germerode wurde 1186 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Schon vierzig Jahre vorher wurden die romanische Klosterkirche und die Klostergebäude gebaut. Heute ist Germerode ein staatlich anerkannter Luftkurort.

Als einer von sieben Ortsteilen der Großgemeinde Meißner teilt Germerode viele Einrichtungen wie Kindergarten, Schule oder Gesundheitsdienste mit den Nachbarorten. Das Dorf ist etwa 13 Kilometer von der Kreisstadt Eschwege und 50 Kilometer vom Ballungszentrum Kassel entfernt. In der Gesamtgemeinde Meißner, die ca. 3.000 EinwohnerInnen hat, gibt es über 300 Arbeitsplätze in 54 Betrieben. Viele pendeln aus.

Zu den wichtigsten Einrichtungen in Germerode zählt die Bildungsstätte „Altes Forsthaus“ e.V., die 1984 im ehemaligen Forstamt Meißner gegründet wurde. In diesem vorbildlich renovierten Fachwerkhaus übernachten jährlich etwa 6.000 Gäste im Rahmen von verschiedenen Bildungsveranstaltungen. Die Fachklinik Haus Germerode ist im Bereich der Behandlung von Suchtkranken und Menschen mit psychischen Erkrankungen tätig.

Das Dorf steht einem kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang und Veränderungen der Altersstruktur gegenüber. Seit achtzehn Jahren ist die Einwohnerzahl um ca. 20 Prozent gesunken. Aktuell liegt der Anteil der Generation 60-Plus bei mehr als 35 Prozent. Auch finanziell gestaltet sich die Situation schwierig: Die Großgemeinde Meißner war aufgrund der hohen Verschuldung ab dem Jahr 2013 unter dem Rettungsschirm des Landes Hessen und musste sich in dieser Zeit einem harten Sparprogramm unterwerfen.

Trotz aller Schwierigkeiten wurden in Germerode zahlreiche Aktivitäten und Initiativen gesetzt, um das Dorf unter dem Motto „Mit neuem Denken Altes bewahren“ zu beleben und die Lebensqualität zu heben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt klar bei den Menschen, die sich in vielen Vereinen zusammenschließen. Ihr Ansprechpartner ist der Ortsbeirat, der gleichzeitig als Bindeglied zwischen den Leuten vor Ort und der Verwaltung der Großgemeinde dient.

Der Entwicklungsprozess in Germerode stützt sich wesentlich auf die Nutzung bestehender Potenziale wie der historischen Klosteranlage, der Bildungsstätte „Altes Forsthaus“ und des berühmten Wildparks. Die Gesellschaft zur Erhaltung der Klosteranlage, der viele DorfbewohnerInnen angehören, kümmert sich um dieses einzigartige Kulturerbe vor Ort.

Dank der Evangelischen Gemeinde Koinonia ist Germerode ein Zentrum der Spiritualität und Besinnung. Der Heimatverein Germerode wiederum errichtete in der Klosteranlage einen Verweilgarten und sorgt dort wie auch im Refektorium für vielfältige Kulturveranstaltungen. Daneben wurde durch den Verein ein Aufklärungsprojekt zum Thema Wasser auf die Beine gestellt. Der vor 45 Jahren gegründete Wildpark wird ebenfalls größtenteils von einem Förderverein, in dem zahlreiche GermeroderInnen tätig sind, erhalten und weiterentwickelt.

Germerode wagt aber auch Neues. Dank einer Inspiration aus Österreich wird das Thema Mohnblüte facettenreich in Projekten zum Ausdruck gebracht. Der innovative und integrative Ansatz schließt die Landwirtschaft genauso mit ein wie das lokale Gewerbe durch die Herstellung von Spezialitäten, den Vertrieb vor Ort und den Tourismus. Für rund 20.000 bis 25.000 BesucherInnen stellt das Themendorf, in dem auch thematische Wanderwege, Führungen sowie ein vielfältiges Kulturprogramm geboten werden, zur Zeit der Mohnblüte Jahr für Jahr eine besondere Attraktion dar.

Unter den zahlreichen Aktivitäten der örtlichen Vereine ist die Initiative des Vereins Dorfzentrum Germerode hervorzuheben, die auf eine seniorengerechte und familienfreundliche Entwicklung des Dorfzentrums abzielte. Im ehemaligen Schulgebäude wurde ein barrierefreier Dorfladen mit Café und Außenterrasse eröffnet, gemeinsam mit dem „Haus des Gastes“ und dem Dorfgemeinschaftshaus bildet er ein multifunktionelles Dorfzentrum. Derzeit werden im ehemaligen Lehrerwohnhaus außerdem vier barrierefreie Wohnungen eingerichtet. Bei all dem wurde nicht nur auf Fördermittel und Darlehen, sondern vor allem auch auf rund 500 ehrenamtliche Arbeitsstunden zurückgegriffen. Mit der Eröffnung des Dorflandens und dem Café ist es gelungen, die Grundversorgung im Dorf wieder zu gewährleisten, drei neue Arbeitsplätze zu schaffen und einen beliebten Treffpunkt für Jung und Alt zu etablieren.

Für die Gewährleistung einer besseren Mobilität der BürgerInnen steht ein Anrufsammeltaxi zur Verfügung. Damit wird der ÖPNV deutlich verbessert. An zwei Tagen pro Woche gibt es darüber hinaus zu festen Zeiten einen Bus, der die BürgerInnen innerhalb der Gemeinde zum Arzt, in die Apotheke, zum Einkaufen oder zur Bank transportieren kann.

In Germerode gelingt es dank großer Eigeninitiative, enormem ehrenamtlichen Engagement und Bottom-up-Ansätzen, den negativen demografischen Tendenzen und strukturellen Problemen standzuhalten. Die BürgerInnen stehen in Vordergrund – und das nicht nur als die NutznießerInnen der gesetzten Maßnahmen, sondern als ein wichtiger Motor für dieselben.

Evaluiert: 2018