Kettenis, Ostbelgien, Belgien

Der rund 4.000 EinwohnerInnen zählende Ort Kettenis ist als Stadtrandgemeinde seit 1977 Teil der Stadt Eupen und damit ein „Dorf in der Stadt“. Es liegt in der Grenzregion zu Deutschland in der Nähe der Stadt Aachen. Durch diese günstige Lage verfügt der Ort über wirtschaftlich sehr gute Perspektiven. Obwohl Kettenis schon seit Jahrzehnten zu Eupen gehört, hat es sich seine eigene Identität bewahrt und dank zahlreicher Vereine und Feste den Dorfcharakter beibehalten.

Kettenis ist ein „junger“ Ort mit starkem Zuzug. In den letzten zehn bis 15 Jahren sind vor allem junge Familien mit Kindern hierher gezogen. Gleichzeitig liegt die gesamte Region im Speckgürtel der Stadt Aachen, die mit ihren Hochschulen in die Region ausstrahlt. Durch den starken Zuzug drohte die Identität des Dorfes immer mehr zu schwinden. So hat sich vor rund zehn Jahren die Dorfgruppe Kettenis, die mittlerweile aus 20 AkteurInnen besteht, gebildet. Auf Grund der belgischen Gegebenheiten fehlten aber der Zugang zu regionalen Förderprogrammen oder die Mittel für größere bauliche Investitionen, darüber hinaus liegen viele Kompetenzen bei der Stadt Eupen oder der Wallonie. Deshalb war der Fokus vor allem auf Projekte zur Verbesserung der dörflichen Lebensqualität gerichtet, die auch ohne große finanzielle Beiträge zu verwirklichen waren: Bereicherungen der Natur -und Erholungslandschaft, das Miteinander der Generationen, die Pflege der volkskulturellen Traditionen und die Integration der NeubürgerInnen. Dabei setzt die Dorfgruppe Impulse zu einer breiten Bürgerbeteiligung und hilft mit, ein hohes ehrenamtliches Engagement bei der Umsetzung zu erreichen. Mit der aktiven Bevölkerung im Rücken betreibt man bei der Stadt Eupen ein massives und erfolgreiches Lobbying für die Realisierung größerer baulicher Gestaltungen.

Ein Projekt mit geringem finanziellen, aber hohem Aufwand in der Meinungsbildung und im ehrenamtlichen Engagement ist zum Beispiel die Wiederbelebung der „Stieglwege“, alter fußläufiger Wege über private Felder, die früher zum Kirchgang genutzt wurden. Sie wurden mit „Lauschpunkten“ und anderen erlebnispädagogischen Elementen erweitert. Ein weiteres Beispiel ist der so genannte Holunderspielplatz am Schulgelände, der ebenfalls in Eigenregie errichtet worden ist. Bemerkenswert sind auch die umfassenden Aktivitäten zur Einbindung und Integration der vielen neuen Jungfamilien. Höheren finanziellen Einsatz, den man sich bei den Stadtverantwortlichen erkämpfen konnte, erforderten parallel dazu die neue Schule, der Umbau des alten Gemeindehauses zum Vereinshaus, Kinderspielplätze, der Mehrgenerationenpark, die große Sport- und Festhalle in der Dorfmitte, das Jugendheim und der Fußballplatz.

Auffällig ist dabei, dass alles, was man umsetzt, der Begegnung und der Identitätsstiftung dient. Und genau das ist es auch, was im Denken und Fühlen der KetteniserInnen spürbar fest verankert ist, ohne dabei eigenbrötlerisch zu agieren. Im Gegenteil: Man setzt auf gut gelebte Partnerschaft mit der Stadt Eupen und kann Dank dieser Offenheit – zwar ohne eigene Kompetenzen und finanzielle Möglichkeiten ausgestattet – als Teil einer größeren Verwaltungseinheit dennoch seine Identität bewahren und sehr gut die ureigenen dörflichen wie auch die gemeinsamen kommunalen Interessen verfolgen.

Evaluiert: 2016