Markt Waldthurn, Bayern, Deutschland

Markt Waldthurn ist eine im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik gelegene Gemeinde in der Oberpfalz mit einer Fläche von etwa 43 Quadratkilometern und ungefähr 2.800 Einwohnenden. Die Gemeinde ist von einer idyllischen Hügellandschaft und ausgedehnten Wäldern umgeben. Sie besteht vorwiegend aus Einzelhäusern und Bauernhöfen.

Die wirtschaftliche Struktur der Gemeinde wird hauptsächlich von landwirtschaftlichen Betrieben und kleineren Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben geprägt. Eine der größten Herausforderungen für Markt Waldhurn ist die Abwanderung insbesondere von jungen Menschen mit dem einhergehenden Verlust an Dienstleistungen, etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich. Eine strukturelle Schwäche hemmt außerdem die wirtschaftliche Entwicklung und viele BewohnerInnen pendeln aus der Gemeinde aus.

Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, engagiert sich die Gemeinde aktiv in der Förderung von Wirtschaft und Kultur. Außerdem setzt sie sich für die Verbesserung der Infrastruktur und Wohnraumangebote ein, um die Lebensqualität in der Gemeinde zu erhöhen und die Abwanderung  bzw. das Pendeln zu reduzieren. Markt Waldthurn hat sich dabei erfolgreich dem Programm „Innen statt Außen“ verschrieben, das eine zwölfjährige Verpflichtung zur Nicht-Ausweisung neuer Baulandflächen vorsieht und stattdessen die Modernisierung, Instandsetzung oder, wenn nicht anders möglich, den Abbruch von leerstehenden Gebäuden in Innerortslagen forciert, um so den Ortskern sowohl als Wohngegend als auch für den Einzelhandel und den Dienstleistungssektor zu attraktivieren.

Unter dieser Prämisse konnten in der Gemeinde bereits mehrere Gebäude erfolgreich revitalisiert werden, z. B. ein Eckgebäude am Marktplatz, das heute ein sehr attraktives 24-Stunden-Fitness- und Physiotherapiezentrum mit sechs TherapeutInnen beherbergt. Ebenfalls wird das historische Schloss Lobkowitz aus dem 17. Jahrhundert derzeit saniert und modernisiert, um es für zukünftige Generationen zu erhalten. Die weltliche und die kirchliche Gemeinde, die beide das Schloss nützen, arbeiten hierbei auf vorbildliche Weise zusammen.

Ein besonders erwähnenswertes Revitalisierungsprojekt stellt auch der gemeinschaftlich geführte Marktladen dar. Dieses kleine, aber vielseitige Geschäft ist viel mehr als nur ein Lebensmittelgeschäft – es ist ein Ort der Begegnung, ein sozialer Treffpunkt und eine Poststelle, die Menschen jeden Alters und jeder Lebenslage zusammenbringt. Die Gründungsgeschichte ist eine Erfolgsstory für die Gemeinde, die mit einer bemerkenswerten Leidenschaft mit den EinwohnerInnen zusammenarbeitete. Obwohl es nicht immer einfach war, den Laden am Laufen zu halten, wurde er so erfolgreich, dass er 2020 von der Vereinigung der Bürger- und Dorfläden in Deutschland mit fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Angeboten wird unter anderem eine Vielzahl an einzigartigen Produkten wie das „Pfarrerbier“, das „Fürstliche Sauerkraut“ aus Tschechien und das „Genusskistl“, das in Zusammenarbeit mit der Öko-Modellregion Naturparkland Oberpfälzer Wald befüllt wird. Mehr als 35 regionale LieferantInnen und DirektvermarkterInnen liefern ihre Produkte an den Marktladen, handgemachte Artikel aus dem ortsansässigen Rehabilitationszentrum werden ebenfalls angeboten.

Dieses Reha-Zentrum für Suchtkranke wurde vor 24 Jahren in Markt Waldthurn eröffnet und stellt ein bemerkenswertes Beispiel für soziale Inklusion im ländlichen Raum dar, zumal eine Reihe tagesstrukturierender Maßnahmen als Teil der Therapie Teil des alltäglichen Lebens in der Gemeinde geworden sind. So unterstützen die BewohnerInnen des Reha-Zentrums ältere Menschen bei der Gartenarbeit, arbeiten im Dorfladen, im Winterdienst, in ortsansässigen Betrieben und helfen bei der Pflege von Gemeindeanlagen. Selbstwert und Selbstbewusstsein werden gesteigert, weil hilfesuchende Menschen selbst zu wertvollen HelferInnen werden.

Ein hervorzustreichendes Projekt ist auch die sukzessive Positionierung des Ortsteils Albersrieth als Bioenergiedorf. Bereits in den 1990er-Jahren wurde eine Pflanzenkläranlage fast ausschließlich in Eigenleistung errichtet – ein Paradebeispiel dafür, was möglich ist, wenn viele BürgerInnen gemeinsam engagiert Hand anlegen. Heute betreibt man in Albersrieth drei Nahwärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien, hat eine Stromversorgungsquote von rund 650 Prozent und ist fast unabhängig von fossilen Energien. Entstanden ist dank der aktiven Menschen, die sich im Verein „Dorfgemeinschaft Albersrieth e.V.“ organisieren, auch ein gern genutzter Dorftreff mit angeschlossenem Generationengarten.

Markt Waldthurn hat schließlich auch sein Potenzial für ein vielfältiges kulturelles Angebot wie Musikfestivals, Dialektpflege, Vorträge und Kreativworkshops entdeckt, weshalb Investitionen in die räumliche und technische Infrastruktur getätigt wurden und werden. Zu erwähnen ist aber auch der neu errichtete Geschichtsweg am Badeweiher, der BesucherInnen über die bewegte Vergangenheit der Region informiert. Eine der treibenden Kräfte ist eine lokale Geschichtsarbeitsgruppe, die sich der Erforschung und Erhaltung des kulturellen Erbes der Region widmet und die unter anderem den Kultursommer organisiert, den Dialekt studiert, Bücher herausgibt und das Liedgut aus der und über die Region pflegt. Große Bedeutung wird schließlich auch der Pflege und Instandhaltung der auf dem Gemeindegebiet befindlichen Wallfahrtskirche Fahrenberg geschenkt, einem Gnadenort, dessen Gründung bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht.

Markt Waldthurn ist zweifelsohne eine vorbildliche Gemeinde für einen kontinuierlichen Dorferneuerungsprozess, in dem man seit Jahrzehnten bemüht ist, das Dorf trotz der peripheren und strukturschwachen Lage funktionsfähig und attraktiv zu halten. Die Gemeindeverantwortlichen erweisen sich dabei als sehr geschickt bei der Finanzierung von Projekten und der Akquise von Fördermitteln des Bundes und des Landes. Insbesondere die vorausschauend mutige Entscheidung, mehr als zehn Jahre lang auf die Ausweisung von neuem Bauland zu verzichten und stattdessen den vorhandenen Ortskern zu stärken, sowie das Nutzen von erneuerbaren Energie- wie auch Humanressourcen, die nicht zuletzt auch stark inklusive Züge tragen, sind als zukunftsweisend zu bezeichnen.

Evaluiert: 2022