Steinberg am Rofan, Tirol, Österreich

Steinberg am Rofan liegt auf 1.000 Meter Seehöhe am Talende und am Fuße des Rofangebirges. Achenkirch und der Achensee sind knapp zehn Kilometer entfernt. Der Ort zählt als Streusiedlung 287 Einwohnende. Nach einer touristisch geprägten Blütezeit in den 1970er-Jahren mit 350 Gästebetten und 30.000 Nächtigungen erfolgte seit den 1990er-Jahren ein sehr deutlicher touristischer und somit wirtschaftlicher Abstieg, da die Nächtigungen auf nur noch ca. 12.000 pro Jahr sanken.

Im Jahr 2010 initiierte die Gemeinde einen Dorferneuerungsprozess, der alle Einwohnenden zusammenbrachte und in eine Neuausrichtung des Dorflebens einbinden sollte. Als erstes Großprojekt wurde 2016 der alte Dorfkern wiederbelebt. Das seit einigen Jahren leerstehende, aber von der Gemeinde erworbene Gasthaus wurde abgerissen und an selber Stelle ein Dorfhaus in qualitativ hochwertiger Architektur gebaut. Das Land Tirol unterstützte das Projekt. Da es fraglich ist, ob die Gemeinde und die Bevölkerung den Eigenanteil hätten aufbringen können, war eine großzügige Einzelspende ein wahrer Glücksfall für die Dorfgemeinschaft. Denn neben dem Neubau des Dorfhauses wurden in den Folgejahren auch das Gemeindehaus, ein alter Hof, der als Co-Working-Space zum Mesnerhof-C umgebaut worden war, und die Kirche in das Projekt eingebettet. Diese vier Elemente bilden nun das neue Dorfzentrum. Da das Dorfhaus in weiten Teilen aus Holz errichtet wurde, wurden auch das Gemeindehaus und der Mesnerhof-C durch Renovierungen der Außenfassaden mit Holz optisch harmonisch angepasst und so ein einheitliches Gesamtbild geschaffen, das für die Streusiedlung dorfprägend ist.

Das Bestreben nach Nachhaltigkeit spiegelt sich in der Energieversorgung im Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen (Pelletsheizungen), der Einhaltung von Niedrigenergiestandards sowie dem Bau von Photovoltaik-Anlagen wider, die in Planung oder in Umsetzung sind.

Steinberg am Rofan sieht seine Zukunft im sanften Tourismus. Der Ort hat das Qualitätssiegel des „Bergsteigerdorfes“ erarbeitet und erhalten. Um die strengen Auflagen zu erfüllen, wurde im Gemeindehaus ein Bergsteigerladen eingerichtet, der an sieben Tagen die Woche während 24 Stunden frei zugänglich ist und auf die Ehrlichkeit der BesucherInnen setzt; ein Konzept, das bisher aufgeht.

Den DorfbewohnerInnen ist klar, dass sich ihre Siedlung einerseits in einer Randlage befindet, die zudem durch den Klimawandel betroffen ist. So ist die Zukunft der Lifte beispielsweise nicht gesichert. Andererseits liegt der Ort aber auch im Speckgürtel von München. So ist der Druck auf dem Immobilienmarkt sehr hoch. Für den Kauf von Zweit- oder Ferienwohnungen verfügt die Gemeinde jedoch über ein Steuerungsinstrument, um hier teilweise einschreiten zu können. Dies wird durchaus geschickt gemanagt. Gleichzeitig bietet diese Nähe zu einem städtischen Ballungsraum auch neue Chancen. Hierzu gehören beispielsweise der „Münchener Bergbus“ des Deutschen Alpenvereins, der im Sommer im Durchschnitt 30 bis 40 Wanderer pro Wochenende nach Steinberg bringt, oder die hohen Besucherzahlen von E-Bike-FahrerInnen, die im Sommer vom Achensee hochkommen, den Ort anfahren und dem Pächter des Dorfhauses wichtige zusätzliche Einnahmen bescheren.

Seit Prozessbeginn finden immer wieder Bürgerbeteiligungsprozesse statt, die auch neue, innovative Methoden aufgreifen, die in den übrigen europäischen Regionen bisher erst sporadisch getestet werden. So fanden erste Planungsrunden mit zufällig ausgewählten DorfeinwohnerInnen statt (nach dem Modell des „Bürgerdialogs“) oder es wurden eineinhalbtägige BürgerInnencafés eingerichtet, die dann die Ergebnisse der gesamten Bevölkerung präsentierten. In diesem Rahmen wurde auch ein „Wertekatalog Steinberg“ verabschiedet, der als Leitbild für die Zukunft gilt. Statt über ein Projektmanagement sollen in Zukunft Projekte über Werte wie beispielsweise Nachhaltigkeit entwickelt werden.

Das soziale Funktionieren des Ortes präsentiert sich als sehr stabil und tragfähig. Einige Vereine können auf ein langes Bestehen zurückblicken. Mit dem Feuerwehrhaus, 1992 erbaut und 2011 renoviert, stehen seit 2021 jedem Verein eigene Räume für seine Aktivitäten zur Verfügung. Das vermietete Dorfhaus bietet nicht nur Restauration, sondern auch einen großen, ansprechenden Begegnungsraum, der von einer Freiwilligengruppe durch unterschiedliche (Dorf-)Veranstaltungen belebt wird. Am Gemeindehaus ist ein Jugendtreff angebaut worden, wo wochenends betreute Gruppenaktivitäten angeboten werden. Für einen so kleinen Ort fast selbstverständlich ist die hohe Einbindung der Kinder und Jugendlichen in die Dorf- und Vereinsaktivitäten.

Seit 2019 verfügen die Haushalte des Ortes über Glasfaseranschluss, wobei die Gemeinde die verpflichtende Verlegung der Leitungen von der Straße bis in jedes Haus vorschrieb und die entsprechenden Kosten übernommen hat.

Noch immer steht in Steinberg am Rofan ein ehemaliges Hotel leer. Hier begleitet die Gemeinde den Prozess der Übernahme. Sie geht dabei den Weg der Offenheit und Transparenz, auch wenn sich der Dialog mit den unterschiedlichen Interessenten als schwierig erweist. Sie kann dabei auf ihre Erfahrungen aus den Moderationsprozessen zurückgreifen.

Die Landwirtschaft ist weitgehend auf Milchwirtschaft ausgerichtet und erfolgt in der Mehrzahl im Nebenerwerb. Knapp ein Drittel der Betriebe werden biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Eine nennenswerte Selbstvermarktung erfolgt nicht. Hier könnte das Dorfhaus Chancen eröffnen. Die Landwirtschaft trägt durch die Landschaftspflege zum intakten Landschaftsbild bei, das in Zukunft wohl das größte Gut des Bergdorfes sein dürfte.

Steinberg am Rofan hat mit dem Glück einer großzügigen Spende für das Dorfhaus, einer guten Analyse und klaren Vision in den vergangenen 15 Jahren wichtige Projekt für eine nachhaltige Zukunft umgesetzt. Dabei hat der Ort sowohl seine Randlage als auch die gute Anbindung an die Großstadt München als Chance erfasst und wichtige Weichenstellungen zur rechten Zeit vorgenommen. Die Vision ist nachhaltig und ganzheitlich. Die Moderation ist in ihrer Methodik ausgesprochen bemerkenswert und die Ergebnisse sind in mehreren Bereichen beispielhaft.

Evaluiert: 2022